DePerspektiven – Dark Patterns oder, was ist aus dem „Anwalt des Nutzers“ geworden?
Ein studentisches Designtheorie-Projekt betreut von Andrea Krajewski
Sommersemester 2024
Prolog
Dark Patterns – oder manchmal auch Deceptive (trügerische) Patterns genannt – sind Maßnahmen bei der Entwicklung und Gestaltung etwa von digitalen Plattformen, Warenhäusern, Apps, die Nutzende so manipulieren, dass sie etwas tun oder lassen, das hauptsächlich dem Interesse der Betreiber dieser Angebote dient, nicht aber dem der Nutzenden.
Definition Design Patterns
Designmuster die Nutzende von digitalen Produkten zu einem bestimmten Verhalten verleiten, das ihren Interessen widerspricht und dabei die Gestaltungsmacht einseitig im Interesse der Produzierenden ausnutzt.
Nun könnte man sich fragen, was denn genau an Gestaltung so mächtig und gefährlich sei, denn eigentlich hat Design für Außenstehende eine rein ästhetische Funktion.
Die gibt es auch, aber darüber hinaus werden durch Design auch Direktiven für Handlungen gegeben.
Ich möchte das am nächsten Beispiel kurz erläutern:
Bis Anfang der 70er Jahre bediente man einen Computer nicht, wie die meisten das heute kennen, sondern man tippte die Befehle wie links zu sehen ist, zeilenweise ein. Das was man auf dem Bildschirm sah, nannte man Command Line Interface.
Screenshot eines Linux-basierten Command Line-Interfaces.
Im Jahr 1973 entwickelte Xerox dann die erste so genannte graphische Oberfläche zur Verwaltung von Informationen und zur Eingabe von Befehlen – das so genannte Graphical User Interface.
Screenshot des Star User Interfaces / Graphical User Interface.
Der Clou daran war, dass man mit dem GUI von Xerox die konkreten Befehle gar nicht kennen musste, geschweige denn, wie man sie in den Rechner bekommt, sondern man bediente sich einer Metapher – also dem Bild einer Vorstellung, die aus der analogen Welt entlehnt war. Und diese Metapher hier spielte vor, der Computer sei ein ganz normaler Schreibtisch und man könne dort Objekte benutzen (Dokumente, Ordner, Ablagen etc., so wie man es vom normalen Schreibtisch eben kannte). Um das Arbeiten auf Papier glaubhaft zu machen, nutze man nun statt grüner Schrift auf schwarzem Hintergrund schwarze auf weißem. Daher spricht man auch von der so genannten Desktop-Metapher. Der Vorteil ist, dass die Nutzer bereits bekanntes Wissen nutzen, und in einem neuen Kontext anwenden können.
Die Frage, die man sich hier vielleicht stellt ist:
Wie konnte aus etwas, was eigentlich nur eine Hilfe war, damit auch nicht technisch versierte Menschen einen Computer nutzen konnten, ein mächtiges Manipulationsinstrument werden?
An sich war es eben durch diesen Schritt, statt der nackten Wahrheit, eine alternative Vorstellung zu etablieren, eine Manipulation. Auf die haben sich die Nutzer gestürzt, eben weil sie hierdurch Vorteile hatten. Sie konnten einen Computer bedienen und hiermit ihre Arbeit erleichtern.
Aber bei der reinen Bedienungsanleitung für einen Computer blieb es nicht.
Entwicklung der Nutzung von Design.
Hintergrund dieser Anstrengung war natürlich der Gedanke, Computer und Anwendungen nicht nur Programmierern, sondern auch anderen Menschen zugänglich zu machen.
Später stellte man fest, dass es überhaupt eine gute Idee ist, wenn Kunden den Eindruck haben, sie werden verstanden und gehört.
Im Bereich der Software-Schnittstellen sprach man schnell vom Human-Computer Interface und davon, dass man den Menschen ins Zentrum von Digital Design stellen solle. Das hat ein paar Jahre gebraucht und bis zum heutigen Zeitpunkt hat diese zunächst positive Entwicklung eine eher ungute Wendung genommen.
Zunächst sorgte die Technik dafür, dass man Menschen befähigen wollte, digitale Produkte zu bedienen. Schnell wurde aus dem Menschen der „Nutzer“.
Dann stellte man fest, dass diese Menschen aber mehr wollten, als Usability und fing an, Erlebnisse rund um die Nutzung zu gestalten – und zwar bevorzugt Marken-Erlebnisse und als das der Wirtschaft klar wurde, gestaltete man auch gleich das Verhalten der Kunden mit. (Behavioral Design/Nudging/…)
Angriffsfläche
User unterliegen kognitiven Verzerrungen.
So lehnen sie Komplexität ab, sind entscheidungsmüde,
lassen sich leicht ablenken, sind anfällig für sozialen Druck.
Als „Digital Natives“ fühlen Sie sich jedoch anwendungssicher.
Dabei sind einfach nur Marketing und Design
User-sicher geworden.
Bereits seit den 1950er Jahren erforschten Verhaltensökonom:innen und Kognitionspsycholog:innen, wie das Gehirn Informationen verarbeitet und dies systematisch zu irrationalen, für eine Person nachteiligen Entscheidungen oder Fehlern im Urteilsvermögen führt.
Ein Beispiel für diese als kognitive Verzerrungen bezeichneten Effekte ist die Tendenz eines Menschen, bei einer Fülle von Informationen eher alle Informationen zu ignorieren, anstatt relevante Inhalte herauszufilltern. Dies ist etwa dann von Bedeutung, wenn Nutzenden die Möglichkeit gegeben wird, Datenschutzeinstellungen selbst vorzunehmen. Sind die Einstellungsmöglichkeiten aber sehr umfangreich und nicht übersichtlich dargestellt, tendieren Menschen dazu, überhaupt keine Entscheidungen bezüglich der Verwendung persönlicher Daten vorzunehmen.
Das zweite Problem ist, dass Menschen ab einem bestimmten Geburtsjahr denken, die seien anwendungssicher, da sie quasi mit dem Smartphone in der Hand geboren wurden.
Dabei sind nicht Nutzer anwendungssicher, Unternehmen sind einfach nur User-sicher geworden.
Neuromarketing / Behavioral Design
„Werden Sie zum Brainfluencer: Unsere Expertinnen erklären Ihnen die Erkenntnisse und Methoden der Hirnforschung, nennen Beispiele und Case Studies und geben Ihnen konkrete Empfehlungen für die Anwendung in der Praxis.“
Quelle: Haufe Group: https://www.neuromarketing-wissen.de/ [04.03.24]
Zum Thema Dark Pattern wird seit etwa 2010 intensiver geforscht. Ein Beispiel ist das Dark Pattern Detection Project der Uni Heidelberg und des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung Speyer, das Designmuster in fünf Typen unterteilt.
Seit dem 17.2.2024 verpflichtet der Digital Services Act (DSA) der Europäischen Kommission digitale Dienstleister, vor allem Online-Plattformen, zu mehr Schutz und Transparenz Verbraucher:innen gegenüber. Die großen Plattformen und Suchmaschinen, sollten vor diesem Termin den Anfang machen und die Vorgaben bereits seit August des Jahres 2023 umsetzen. So müssen z.B. Nutzer:innen von digitalen Anwendungen ihre Entscheidungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen transparent vor Augen geführt werden.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) enthüllte in einer Studie, dass Nutzer:innen auch 100 Tage nach Inkrafttreten der EU-Verordnung unfairen Praktiken großer Online-Plattformen ausgesetzt seien. So wurden zum Zeitpunkt der Studie mehrheitlich weiterhin „illegale Design-Tricks“ angewandt.
Vor dem Hintergrund des Missbrauchs von Design, vor dem Menschen nun sogar per Gesetzgebung geschützt werden, müssen sich Designer fragen, wie sie mit ihrer Macht umgehen wollen.
Die DePerspektiven: Ausgabe des Sommersemesters 2024 widmet sich dieser Reflexion.
Dark Patterns in Real Life
Emma Beck, Kim Karn, Isabella Kessler
Jeder ist von Dark Patterns umgeben, unabhängig von Alter, Bildung oder technischem Verständnis. Anfällig sind Personen, die weniger Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien haben, sich Dark Patterns nicht bewusst sind oder leicht in Stress geraten. Wir machen drauf aufmerksam, indem wir sie in die Realität übertragen.
Glücksspiel TikTok: Wie die Plattform Nutzende mit Dark Patterns fesselt
Marie Hinrichs
„Die Verwendung von TikTok kann zu einer Sucht werden, da der ständige Konsum von kurzweiligen Inhalten das Verlangen nach mehr Unterhaltung verstärkt.“ (Karg, 2023)
Bright Patterns: Am Beispiel von einem Online-Shop
Lisa Timm
Um eine positive Gegenbewegung zu Dark Patterns zu unterstützen, beschäftigte sich Lisa mit positiven Designmustern. Anhand von einem Online-Shop wird gezeigt, wie Bright Patterns verwendet werden können und welche Vorteile sie bieten.
Der Einfluss von zeitlichem Druck durch Dark Patterns auf das Kaufverhalten
Süeda Barug
In der modernen Marketingstrategie ist das Phänomen der Dark Patterns, insbesondere der Einsatz von zeitlichem Druck, ein bedeutsames Thema. Diese Technik wird häufig von Websites genutzt, um das Verhalten der Nutzer zu beeinflussen und ihre Kaufentscheidungen zu beschleunigen. Zu den Beispielen gehören die sogenannten Behavior Patterns und Scarcity Patterns.
Wie beeinflussen Dark Patterns die Nutzererfahrung auf Amazon?
Daria Savchenko
In der heutigen E-Commerce-Welt sind manipulative Designtricks, sogenannte Dark Patterns (DPs), weit verbreitet. Amazon, einer der größten Online-Händler, verwendet verschiedene DPs, um das Verhalten der Nutzer zu steuern. Dieses Projekt untersucht die Auswirkungen dieser DPs auf Amazon und analysiert eine mögliche Gegenmaßnahme zur Verbesserung der Nutzererfahrung.