Hooked: Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen
„Hooked“ von Nir Eyal verrät, wie man Produkte erschafft, ohne die man nicht mehr leben kann. (Buchclub-Rezension)
Ein Beitrag von Aleksandra Komarova und Gloria Maksimovic
Montag, 10. Februar 2020
Interactive Media Design
Abstrakt
Nir Eyal beschreibt in „Hooked“ wie man Produkte erschafft, die neue Gewohnheiten bei den Kunden prägen und süchtig machen. In dem Buch lernt man neue Erkenntnisse über marktwissenschaftliche Psychologie, die man auf neue Produkte anwenden kann, mit denen der Nutzer später interagieren wird.
In der Lektüre hat man die Möglichkeit alles, was man gelernt hat einzusetzen. Der Autor gibt nach jedem Kapitel ein Recap und eine Reihe von möglichen Aufgaben und Fragen, die man sich zu seinem eigenen Produkt stellen soll.
Gewohnheiten
Da es eine Lektüre darüber ist, wie man gewohnheitsprägende Produkte schafft, wird am Anfang erklärt, wie sich Gewohnheiten bilden, was sie für ein Individuum bedeuten und was das letztendlich für ein Produkt heißen könnte.
Gewohnheiten haben Einfluss auf unsere täglichen Handlungen. Dinge, die wir unterbewusst und automatisch machen und die geringste Denkleistung erfordern, sind Gewohnheiten. Ein Mensch macht lieber Dinge, an die er gewohnt ist, als neue Dinge auszuprobieren, da diese ein höheres Denkvermögen einfordern.
„Gewohnheitsprägende Produkte verändern Konsumentenverhalten und erzeugen unaufgeforderte Kundenbindung.“
„Kunden werden von einem Produkt abhängig, wenn sie es erst einmal in ihre Alltagsroutine eingebaut haben, und daher weniger preissensibel sind.“
Aber damit sich neue Verhaltensweisen festigen können, müssen sie häufig auftreten. Im Buch wird das Prinzip von gewohnheitsprägenden Produkten anhand erfolgreicher Produkte, wie Google, Amazon, Instagram und Co. erklärt. Zusätzlich benutzt der Autor dafür das eigenentwickelte „Hakenmodell“.
Hakenmodell:
Das Hakenmodell beschreibt eine Erfahrung, die ein Konsumentenproblem häufig genug mit einer Lösung verknüpfen soll, sodass eine Gewohnheit daraus wird. Es besteht aus vier Stufen: Auslöser, Handlung, Variable Belohnung und Investition. Zu jeder Stufe hat der Autor ein Kapitel geschrieben.
Auslöser:
Das Nutzerverhalten wird von fremden Impulsen ausgelöst. Manchmal ist es uns bewusst, dass diese Auslöser uns zum Handeln bewegen und manchmal nicht. Dies kann man mit einer Muschel vergleichen, die erst eine Perle formt, wenn ein äußerer Auslöser in Form von einem Fremdkörper (Sandkorn) in die Muschel eindringt. Es gibt zwei Arten von Auslösern, die inneren und die äußeren Auslöser. Wenn z. B. eine App eine Push-Benachrichtigung schickt, in der sie auffordert eine Handlung, (wie z. B. einen Log In) durchzuführen, dann ist das ein äußerer Auslöser. Äußere Auslöser kommen immer von außen und innere kommen immer von einem selbst. Innere Auslöser können auch Gefühle sein, wie z. B. Langeweile, man fühlt sich einsam und öffnet daraufhin Instagram, um dieses negative Gefühl zu unterdrücken. Produktdesigner müssen daher die inneren Auslöser des Nutzers definieren und erkennen. Kennt man den Schmerz des Nutzers, kann man ihn lindern, sodass die Kunden das Produkt als Quelle der Entlastung betrachten. Leider bringt es nichts, den Kunden direkt zu fragen, wo er die Probleme hat, weil er es selbst nicht weiß. Deshalb zeigt Nir Eyal in seinem Buch nützliche Methoden, um die Probleme des Nutzers zu finden.
Handlung:
Nach dem Auslöser kommt die Reaktion des Nutzers, zum Beispiel auf einen Link in der Benachrichtigung zu klicken. Die Handlung muss einfach sein, sowohl geistig, als auch körperlich und die Hemmschwelle die Aktion auszuführen muss sehr gering gehalten werden, da sie sonst nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit ausgeführt wird. Zur Ausführung einer Aktion, die viel Denkvermögen erfordert, muss sich der Nutzer gezielt entscheiden, was der Autor aber nicht erreichen will. Ihm geht es darum, eine Gewohnheit zu erschaffen und aufrecht zu erhalten. Eine Gewohnheit ist eine Handlung mit wenig bis gar keinem bewussten Nachdenken.
Der Autor beruft sich auf das Fogg’sche Verhaltensmodell, das besagt: eine Gewohnheit tritt auf, wenn Motivation, Fähigkeit und Auslöser gleichzeitig auftreten. Fehlt eines davon oder ist nicht genug ausgeprägt, kommt keine Handlung seitens des Nutzers zustande. Der Nutzer braucht genug Handlungsenergie (Motivation). Zusätzlich muss er auch dazu fähig sein, die Handlung auszuführen. Sie darf also auch nicht zu kompliziert sein. Es muss zudem ein Auslöser auftreten, der die Handlung letztendlich auslöst.
Belohnung:
Nachdem der Nutzer die Handlung ausgeführt hat, sieht das Hakenmodell vor, dass er jetzt eine Belohnung bekommen sollte. Es gibt drei Arten von Belohnungen: die Belohnung des Stammes, der Jagd und des Selbst.
Wir suchen soziale Verbundenheit, weshalb wir uns gruppieren und Gleichgesinnte suchen. Dies steuert, wie wir den Großteil unserer Zeit verbringen. Da ist es kein Wunder, dass soziale Medien so beliebt sind. Diese Gruppierungen und diese Verbundenheit geben die Belohnung des Stammes.
Die Belohnung der Jagd erhalten wir, wenn wir jagen. Damals haben die Menschen nach Tieren gejagt und jetzt jagen wir nach Ressourcen, Geld und Informationen. Bei Twitter jagen wir nach wichtigen Informationen.
Wie sehr wir auch die Jagd mögen, mögen wir es auch Hindernisse zu überwinden, weshalb wir gerne Puzzle Spiele spielen. Wir erhalten Befriedigung, wenn wir es endlich geschafft haben und das ist die Belohnung des Selbst. Wenn der Nutzer nun eine Belohnung von dem Produkt erhalten hat, kommen wir zur Investition.
Investition:
Die Investitionsphase ist die vierte Phase des Hakenmodells. In dieser Phase erwarten die Kunden zukünftige Belohnungen. Sie investieren etwas in das Produkt aber erwarten im Umkehrschluss auch eine Belohnung. Investitionen schaffen es, dass die Kunden an dem Hakenmodell hängen. Je mehr Zeit und Mühe ein Kunde in ein Produkt investiert, desto mehr Wert misst er ihm bei.
Moralischer Aspekt:
Nachdem wir die Prinzipien der Gewohnheitsprägung verstanden haben, sollten wir uns die Zeit nehmen und abwägen, ob das, was wir erreichen wollen, moralisch vertretbar ist. Neue Gewohnheiten haben immer gute und auch schlechte Nebenwirkungen. Ian Bogost nennt die Welle von gewohnheitsprägenden Technologien die „Zigarette des gegenwärtigen Jahrhunderts“.
- Würde ich das Produkt selber verwenden?
- Hilft das Produkt den Anwendern, ihr Leben wesentlich zu verbessern?
Wenn man sich diese Fragen gestellt hat und die guten Gewissens bejahen kann, kann der Prototyp für das Produkt erstellt werden.
Fazit:
Das Buch ist sehr interessant und so geschrieben, dass man es auf Anhieb versteht, auch wenn man kein Unternehmer ist. Es holt einen ab und ist auf jeden Fall eine empfehlenswerte Lektüre.
Allerdings ist es moralisch ziemlich fragwürdig. Der Autor versucht, mit seinem Modell Nutzer zu manipulieren und „auf den Haken“ zu nehmen. Es ist gut, einen Einblick in diese Manipulation zu bekommen, jedoch sollte man sich bewusst sein, mit welchen Absichten man handelt bzw. ein Produkt erschafft. Der Autor geht zwar auch auf den moralischen Aspekt ein, allerdings sollte dies nicht bloß runtergelesen, sondern verinnerlicht werden, da Manipulation von Individuen fraglich und erst recht kein Kavaliersdelikt ist.