Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt
In Nudge erfährst du, wie du als Entscheidungsarchitekt agieren kannst und Menschen dabei unterstützt, das Richtige zu tun, ohne sie zu bevormunden.
Ein Beitrag von Anne Schneider, Pascale Kaufmann und Tea Rustani
Freitag, 5. Juli 2019
Interactive Media Design
Über die Autoren
Nudge entstand in Zusammenarbeit der Autoren Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein. Thaler ist Professor an der Universität Chicago. Seine Forschungsgebiete umfassen Verhaltensökonomie und Finanzen, sowie die Psychologie der Entscheidungsfindung.
Sunstein ist Professor für Rechtswissenschaften an der Harvard-University.
Nudge wird im deutschen als, sanft schubsen/ leicht in die Rippen stoßen, insbesondere mit Ellbogen definiert.
Dieses Buch ist dafür da, um eine Menge Nudges in vielen verschiedenen Bereichen des Lebens zu erklären. Aber in dem Buch werden auch verschiedene Arten Entscheidungen zu treffen und zu beeinflussen in Vergleich gesetzt.Das Ziel dieses Buchs und des Kapitels ist es, einen Einblick in die menschliche Fehlbarkeit zu geben.
Libertärer Paternalismus
Seine Anhänger sind der Meinung, dass man alle Einflussmöglichkeiten nutzen sollte, sodass jeder bessere Entscheidungen trifft. Wie zum Beispiel in einer Schulmensa sollte man die Auswahl und Positionierung von Lebensmitteln so gestalten, dass die Kinder ein wenig mehr dazu geleitet werden, eine bessere Ernährung zu sich zu nehmen.
Humans und Econs: Warum ein Schubs helfen kann
Menschen als Econs sind in der Lage, für sich selber bessere Entscheidung zu treffen und brauchen all diese Schubser deswegen nicht.
Eine falsche Annahme und zwei Missverständnisse
Wenn viele Menschen gegen jede Form des Paternalismus sind und die absolute Freiheit bevorzugen um Entscheidungen zu treffen, dann kommt folgende Denkweise ins Spiel: „Einfach die Vielfalt der Auswahlmöglichkeiten maximieren – fertig!”
Entscheidungsarchitekten im Alltag
In einer solch großen Menge an Auswahl haben Entscheidungsarchitekten eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Sie können anderen Menschen das Leben erleichtern, indem sie ein benutzerfreundliches Umfeld schaffen.
Teil 1: Humans und Econs
Von systematischen Fehlern und falschen Annahmen
Wie wir denken; Zwei Systeme
Die Funktionsweise des menschlichen Gehirns ist sehr komplex und schwer zu verstehen. Psychologen und Neurowissenschaftler haben sich geeignet, dass die Funktionsweise des menschlichen Gehirns in zwei Arten zu unterscheiden ist:
- Intuitiv – automatisch (System 1)
- Unkontrolliert
- Mühelos
- Assoziierend
- Schnell
- Unbewusst
- Erlernt
- Reflektiert – rational (System 2)
- Kontrolliert
- Angestrengt
- Deduzierend
- Langsam
- Bewusst
- Regelgeleitet
Faustregeln
Die Faustregeln helfen uns sehr gut, schnell und einfach Entscheidungen zu treffen, da das Leben kompliziert genug ist und wir nicht die ganze Zeit über Sachen im Detail nachdenken können. Faustregeln sind sehr oft sehr nützlich, aber leider können sie auch zu systematischen Irrtümern führen.
Die Psychologen identifizieren drei verschiedene Urteilsheuristiken (oder Faustregeln);
- Heuristik der Verankerung
- Die Verfügbarkeitsheuristik
- Repräsentativitätsheuristik
Verankerung
Verankerung ist eine Methode, wo wir von einer bereits vorhandenen Information ausgehen. Die Verankerung bzw. die Anpassung funktioniert so, dass man einen Anker bei einer Zahl setzt, die man kennt und versucht davon auszugehen, um eine Einschätzung vorzunehmen. Durch Nudges können wir beeinflussen, welche Zahl in einer bestimmten Situation gewählt wird, indem wir ganz subtil eine Vorgabe machen, bei der der Denkprozess dann einen Anker setzt.
Verfügbarkeit
Diese Methode beruht auf dem Prinzip, dass die Wahrscheinlichkeit von Risiken abgeschätzt wird, indem gefragt wird, wie schnell einem Beispiele dazu einfallen. Wenn einem sofort eines in den Sinn kommt, entsteht mehr Sorge, als wenn einem nichts einfallen würde.
Ebenso spielt bei der Urteilsbildung eine Rolle, wie gut wir uns eine Sache vorstellen können und ob wir selbst damit Erfahrung gemacht haben.
Repräsentativität
Bei der Repräsentativität-Methode handelt es sich um eine Ähnlichkeitsheuristik.
Das ist sehr oft eine Denkweise, die zum Klischee greift. Wenn man Fragen beantworten muss wie „Wie wahrscheinlich ist es, dass A zur Kategorie B gehört?„ fragen sich die meisten Menschen zuerst, wie ähnlich A ihrer Vorstellung oder ihrem Klischee von B entspricht. Also wie repräsentativ A für B ist.
Optimismus und übermäßiges Selbstvertrauen
Wenn man verschiedenen Gruppen von Menschen die Frage stellt, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen, dann sind die meisten sehr optimistisch und ganz oft vergessen sie all das, was Schlimmes passieren könnte.
Leute gehen Risiken ein, weil sie unrealistisch optimistisch sind, und genau diese Leute können von einem Nudge profitieren. Wie zum Beispiel, wer an ein schlechtes Ereignis erinnert wird, ist meist nicht mehr ganz so optimistisch.
Gewinne und Verluste
Menschen hassen Verlust. Verlustaversion führt im Allgemein dazu, dass wir alles beim Alten belassen, selbst wenn es unseren eigenen Interessen widerspricht.
Der Framing Effekt
Der Framing Effekt erklärt, wie man Informationen verbal ausdrückt und wie die gewählten Worte die Wirkung dieser Informationen ändern.
Beispiele dafür sind, wie Ärzte die Risiken von Operationen ausdrücken oder wie Fragen in der Werbung gestellt werden.Framing funktioniert, weil Menschen Entscheidungen oft gedankenlos und eher passiv treffen.
Der Versuchung widerstehen
Experiment Nüsse: Der Ökonom Thaler lud einige Freunde zum Essen ein und stellte vor den eigentlichen Speisen eine Schale mit Nüssen bereit. Alle bedienten sich eifrig und er befürchtete, dass sich alle den Appetit auf das eigentliche Essen verderben würde. Also nahm er die nicht vollständig entleerte Schüssel und brachte sie in die Küche. Bei der Rückkehr bedankten sich seine Gäste.
Wieso? Eigentlich ist es immer besser, wenn es mehrere Optionen gibt und man die Wahl hat. Hier: Alle Nüsse essen (schlechte Option vor dem Essen), keine Nüsse essen (aber die Nüsse sind ja da) oder nur ein paar Nüsse essen, was bestimmt auch die Absicht der Gäste war. Jedoch ist mit Sicherheit zu sagen, dass die Nüsse leer geworden wären, wären sie stehen geblieben. Dieses Verhalten, die Meinung im Verlauf zu ändern, nennt man dynamisch inkonsistent.
Im nächsten Schritt werden dem Leser Strategien, also Nudges, an die Hand gegeben für eine erfolgreiche Selbstkontrolle. Beschrieben werden zwei Teilpersönlichkeiten, die in jedem vertreten sind: Der Planer und der Macher. Der Planer stellt sich seinen Wecker früh, um etwas vom Tag zu haben. Der Macher schaltet diesen morgens einfach aus und schläft doch noch weiter. Es gibt verschiedene Strategien diesem entgegenzuwirken, wie beispielsweise den Wecker woanders hinzustellen. Selbst da kann der Macher sich nach dem Ausschalten aber wieder ins Bett legen. Eine Nudge-Lösung ist der sich versteckende Wecker Clocky, der nach dem ersten klingeln wegrollt.
Eine andere Strategie ist das Vereinbaren einer Wette. Ein Ziel, beispielsweise Abnehmen, soll erreicht werden. Als kleiner Wettkampf wird dies viel erfolgreicher geschafft, da man sich nicht die Blöße geben möchte.
Man kann natürlich einfach Verbote aussprechen, dies bewegt sich aber in Richtung Paternalismus. Nach dem Nudge-Prinzip werden Anreize gesetzt, wie eine hohe Tabaksteuer, um den Menschen eine Entscheidung zu erleichtern.
Der Herde folgen
Wieso sind soziale Einflüsse im Bezug auf Nudges so interessant? Wir Menschen lernen stetig voneinander: Das ist positiv, um uns zu einzigartigen Individuen zu entwickeln, jedoch werden auch Irrtümer häufig übernommen. Darüber hinaus kann eine gegenseitige Beeinflussung für ein Nudge sehr hilfreich sein. Dem Beispiel Jonestown – ein Mann beeinflusst eine gesamte Siedlung zum Massenmord – liegt eine gewaltige soziale Beeinflussung zugrunde. Die Person, die solch einen Einfluss auf andere hat, sollte sich darüber bewusst sein, wie soziales Verhalten verbessert werden kann und nicht es zu missbrauchen.
Es gibt zwei Möglichkeiten des sozialen Einflusses: Wenn viele Leute etwas tun oder etwas denken, passiert es, dass man diese Meinung ebenfalls übernimmt. Es gilt als verbreitet, Informationen sozial zu gewinnen. Die zweite Möglichkeit ist der Gruppenzwang. Wenn es einem persönlich wichtig ist, was andere denken, orientiert man sich an der Mehrheit, um deren Wohlwollen zu gewinnen.
Wir lassen uns schnell von den Menschen beeinflussen, die uns umgegeben. Wer mit einer dicken Person viel Zeit verbringt, wird wahrscheinlich selbst dick, oder wenn man viel Zeit mit einer Person verbringt, die fleißig für die Uni lernt, adaptiert man dieses Verhalten.
Soziale Einflüsse können Menschen also in verschiedene Richtungen bewegen, das ist möglicherweise ein Grund für den Nationalsozialismus oder wieso Wahlen geheim sind. Durch Meinungen anderer kann man schlichtweg stark beeinflusst werden.
Auf der anderen Seite kann aber genau dies genutzt werden, um Menschen in ein positives Verhalten zu lenken. Als Beispiel gilt die „Don’t mess with Texas” Kampagne, die mittels Nationalstolzes saubere Straßen bewirkte.
Wie können soziale Nudges gezielt eingesetzt werden? Beispielsweise mit Vergleichswerten: In Amerika wurde ein Experiment mit Menschen gemacht, die ihre Steuererklärung noch nicht gemacht haben. Bei der Erinnerung wurden verschiedene Texte verwendet. Beispielsweise was mit den Steuern gemacht wird, welche Strafen drohen oder dass 90% der Bürger diese schon gemacht haben. Am fruchtbarsten war die letzte Aussage. Da man in den Nachrichten oft nur hört, wie viele Steuerhinterzieher es gibt, neigt man eher dazu, sich daran zu orientieren. Wenn jedoch die meisten ihre Steuererklärung bereits abgegeben haben, orientiert man sich an diesen Werten.
Wann brauchen wir einen Nudge?
In bestimmten Situationen fällt es Menschen besonders schwer, gute Entscheidungen zu treffen. Die Autoren beschreiben fünf Kategorien solcher schwieriger Entscheidungen.
Zeitlicher Unterschied zwischen Kosten und Nutzen
Wir wissen, dass wir Sport treiben und Zahnseide benutzen sollten. Allerdings passiert auch möglicherweise lange nichts, wenn wir diese Dinge unterlassen. Dass Rauchen und Alkohol nicht gesundheitsförderlich sind, ist den meisten Menschen bekannt. Allerdings können wir beides über Jahre konsumieren, ohne zwangsläufig mit den Konsequenzen konfrontiert zu werden.
Per se schwierige Entscheidungen
Zum Beispiel die Auswahl eine Immobilienfinanzierung stehen unzählige Optionen zur Wahl mit unterschiedlichsten Ausgestaltungen und derjenige, der sich entscheiden muss, ist wahrscheinlich kein Profi auf dem betreffenden Gebiet.
Seltene Entscheidungen
Wie oft wählen wir eine berufliche Laufbahn, kaufen wir ein Haus oder sparen für die Rente? Die Möglichkeit, aus Fehlentscheidungen dazuzulernen ergibt sich hier für die meisten von uns im Laufe eines Lebens nicht.
Fehlende Rückmeldung
Zum Beispiel bei ungesunder Ernährung erfahren wir keine unmittelbaren Konsequenzen.
Unbekannte Konsequenzen
Ein Beispiel ist die Auswahl eines Fonds für die eigene Altersvorsorge. Zum Zeitpunkt der Entscheidung ist nicht bekannt, wie sich die zur Wahl stehenden Fonds über die Zeit entwickeln werden.
Eine gute Entscheidungsarchitektur kann den Menschen helfen, für sie selbst vorteilhafte Entscheidungen zu treffen. Freie Märkte sind manchmal geeignet, Entscheidungen zu erleichtern, versagen aber auch sehr oft.
Entscheidungsarchitektur
Wer (indirekt) die Entscheidungen anderer Menschen beeinflusst, der ist ein Entscheidungs-Architekt. Die Autoren stellen in diesem Kapitel einige Grundprinzipien guter (und schlechter) Entscheidungsarchitektur vor.
Standardvorgabe (Default)
Viele Menschen wählen bei schwierigen Entscheidungen die Standardvorgabe, wenn es eine solche gibt. Es kann also hilfreich sein, einen Standard vorzuschlagen und diesen so auszugestalten, dass er für die meisten Menschen eine gute Wahl darstellt (Beispiel Software-Installation).
Fehlertoleranz
Entscheidungsprobleme sollten so gestaltet sein, dass sie Fehler zu vermeiden helfen oder leicht verzeihen. So kann man in der Pariser Metro die Fahrkarte sowohl richtig als auch falsch herum in den Automaten stecken, beide Varianten werden funktionieren. Und viele Geldautomaten geben die Karte zurück bevor sie das Geld ausgeben, damit diese nicht vergessen wird.
Feedback
Moderne Digitalkameras machen Auslöser-Geräusche, die technisch nicht notwendig sind aber dem Nutzer die Rückmeldung geben, dass er ein Foto gemacht hat.
Mapping
Hier handelt es sich um das Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen komplexen Wahlmöglichkeiten und deren Nutzen. Bei der Wahl von Kreditkarten- oder Handyverträgen könnte es helfen, einen strukturierten Vergleich aller Charakteristika verbindlich zu machen, so dass eine informierte Entscheidung getroffen werden kann.
Strukturierung
Bei komplexen Entscheidungen mit besonders vielen Alternativen kann es notwendig sein, eine Vorauswahl anhand bestimmter Kriterien zu treffen. Ein Beispiel wäre die Wohnungssuche, wo potentiell tausende verschiedene Immobilien zur Verfügung stehen, die wir nicht alle gründlich in Betracht ziehen und besichtigen können. Die Entscheidungsarchitektur kann solche Probleme erleichtern, indem sie eine sinnvolle Vorsortierung vornimmt oder (wie bei Netflix) Vorschläge aufgrund bekannter Präferenzen macht. Hier darf man nicht außer acht lassen, dass der Zufall und die Begegnung mit Optionen, die aus unserem normalen Präferenzmuster herausfallen, das Leben interessant machen und auch nicht komplett fehlen sollten.
Anreize
In manchen Fällen sind Märkte und ökonomische Anreize ausreichend, um alle Beteiligten zu gutem Verhalten und guten Entscheidungen zu bewegen, in anderen nicht (z.B. im Fall von Medizinprodukten, wo viele Akteure an Entscheidungen beteiligt sind). Ökonomische Anreize können nur funktionieren, wenn sie transparent gemacht werden.
Teil 2: Geld
Save more Tomorrow
Humans gehen mit Geld ganz anders um als Econs. Econs sind vernünftige Konsumenten, die sparen. Jedoch treffen Humans nicht immer durchdachte Entscheidungen.
Deswegen benutzt man Rentensparpläne als Wege um für die Zukunft vorzusorgen. Die Rente sorgt dafür, dass Menschen im Alter genug Geld zur Verfügung haben. Dennoch gibt es zwei Sachen, die an diesem Thema bedrohlich sind:
- Menschen leben länger und 2. Menschen tendieren dazu weniger Kinder zu haben.
Aber wie können wir helfen? Es gibt zwei Möglichkeiten, die das Buch uns vorstellt;
- Eine automatische Beitrittsregelung für betriebliche Rentensparpläne
- Programm „Save more tomorrow”
Die Theorie der Wirtschaftswissenschaften zur privaten Altersversorgung ist ungeeignet, um Humans zu beschreiben, da sie von Econs ausgeht. Denn es sollte sich individuell ein Sparplan überlegt werden, wie viel man brauchen wird und wie viel man dafür sparen muss. Aber da werden keine Ablenkungen mitberechnet wie teure Autos, luxuriöser Urlaub und so weiter.
Es gibt zwei Rentenpläne:
- Leistungsorientiert: was gefährlich ist, wenn Arbeitnehmer oft die Arbeit wechseln oder die Firma bankrott geht.
- Beitragsorientiert: was von fast jedem Unternehmen angeboten wird, weil es billiger ist. Die Pläne sind flexibel und bieten die Möglichkeit, Beiträge und Investitionsentscheidungen zu korrigieren.
Teil 3: Gesellschaft
Privatisierte Sozialversicherungen á la Smörgâsbord
Im schwedischen Konzept für die Teilprivatisierung des Sozialversicherungssystems wird den Bürgern eine möglichst große Auswahl an Möglichkeiten zur Portfolio-Gestaltung gegeben, um ihnen die Wahlmöglichkeit zu überlassen. Für diejenigen, die sich nicht entscheiden möchten oder können, gibt es einen Default-Fonds, also einen der von Experten zusammengestellt ist.
Wie sollten die verschiedenen Varianten beworben werden? Es wurde sich für die Variante entschieden den Default-Fonds anzubieten, jedoch durch große Werbekampagnen auf das Erstellen eines eigenen Portfolios hinzuweisen. Damit hatte die Regierung Erfolg. Man konnte aber feststellen, dass Teilnehmer, die erst später teilnehmen sollten, da sie zu dem anfänglichen Zeitpunkt noch nicht im Arbeitsverhältnis standen, eher den Default-Fonds wählten, da die privaten Fonds ihre Produkte nicht mehr so stark bewarben, wie zur Produkteinführung.
Im Endeffekt fuhren diejenigen am Besten, die sich für den Default-Fonds entschieden. Dieser wurde nämlich von Experten zusammengestellt. Die Bürger, die ihre eigenen Portfolios erstellen, sind im überwiegenden Fall Laien und orientieren sich an positiven Zahlen der vergangenen Jahre, was jedoch bei Investitionen nicht unbedingt der sinnvollste Weg ist.
Hier wäre ein Nudge äußerst hilfreich gewesen in Form einer deutlichen Kenntlichmachung der Expertise des Default-Fonds und dass dieser sehr gut geeignet für diejenigen ohne Fachwissen sein könnte. Das Ergebnis ist hier also, dass es nicht immer die beste Lösung ist, eine sehr große Auswahl zu haben.
Reformen im Gesundheitssystem
Um die Jahrtausendwende wurde eine Gesundheitsreform in den USA durchgesetzt. Rentner sollten eine teurere Versicherung nehmen können, die verschreibungspflichtige Medikamente übernimmt. Es gab einige Schwachstellen an diesem System. Die Senioren konnten frei entscheiden, ob sie dies in Anspruch nehmen wollten und welchen Anbieter sie wählten. Hierbei gab es wenig Hilfestellung und wer sich nicht aktiv dafür entschied, nahm nicht an dem Programm teil. Erschreckenderweise wurden sozial schwache Gruppen per Zufallsprinzip irgendwelchen Anbietern zugeordnet.
Nudges, die diese Reform verbessert hätten, wären eine intelligente Zuordnung der Anbieter gewesen, da nur so gewährleistet kann, dass jeder die für sich passende Versicherung erhält.
Es könnte aber auch die Einsicht aller relevanten Informationen auf übersichtliche Weise unterstützt werden, um beispielsweise einen Preisvergleich, eine Prämienübersicht und einen Vergleich all der auftretenden Kosten verständlich verfügbar zu machen.
Abschließend lässt sich sagen, dass Menschen Fehler machen, klare Informationen sie davor aber bewahren können. “Um eine gute Politik zu machen, reicht es nicht aus, ein großes Angebot an Wahlmöglichkeiten zu offerieren und für Entscheidungsfreiheit zu plädieren. Je größer die Auswahl und je komplexer die Situation ist, desto wichtiger ist ein vernünftige Entscheidungsarchitektur.” (S.239)
Ein Nudge kann Leben retten: Mehr Organspender
In den USA standen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches knapp 100 000 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende. Viele davon (möglicherweise bis zu 60%) werden sterben, bevor sie eine Spende erhalten und die Warteliste wächst jährlich um ca. 12%. Es wäre also gesellschaftlich höchst relevant, wenn durch Entscheidungsarchitektur die Zahl von Organspenden erhöht werden könnte.
Zustimmungslösung
In den meisten Staaten funktionieren Organspenden nach dem Prinzip einer Zustimmungslösung. Organe von Patienten, die diese nicht gegeben haben, werden nicht für Spenden in Betracht gezogen. Problematisch ist hier, dass weniger als die Hälfte der Menschen, die ihre Organe spenden würden, keine entsprechenden Schritte unternehmen. Die Trägheit von Menschen stellt bei dieser Gestaltung der Entscheidung also ein großes Hindernis da.
Routineentnahmen
Manche Staaten in den USA sehen Routineentnahmen im Todesfall für die Hornhaut im Auge vor. Dieses Vorgehen würde allerdings den freien Willen der Menschen beschneiden und ließe sich nicht mit den Prinzipien des libertären Paternalismus vereinbaren.
Widerspruchslösung
Ein geeigneterer Weg wäre eine Widerspruchslösung. Falls der Mensch nichts unternimmt, tritt der Standard Fall ein, in dem seine Zustimmung zur Organspende vorausgesetzt wird. Er hat allerdings die Freiheit, diesem Default zu widersprechen und dies muss ihm auch leicht gemacht werden. 99% der Menschen in Österreich sind mit dieser Lösung Organspender.
Pflichtentscheidung
Illinois hat als weitere Alternative das System der Pflichtentscheidung eingeführt. Beim Antrag auf Ausstellung eines Führerscheins muss jeder Bürger entscheiden, ob er seine Organe spenden möchte. Der getroffenen Entscheidung kann auch seine Familie im Ernstfall nicht widersprechen. Die Resultate dieses Entscheidungs-Designs sind vielversprechend.
Soziale Normen
Im Vorfeld hatte Illinois schon gute Erfahrungen damit gemacht, die Macht der sozialen Einflussnahme zu nutzen. Unter dem System der expliziten Zustimmung konnten Menschen so zu besseren Entscheidungen bewegt werden, dadurch dass auf der Homepage gezeigt wurde, wie viele Menschen Organe spenden.
Umweltschutz
Wenn Regierungen Schritte beschließen, um mehr Umweltschutz durchzusetzen, entsprechen diese oft nicht libertären Grundsätzen. Wenn zum Beispiel die Erreichung bestimmter Grenzwerte innerhalb einer bestimmten Zeit vorgeschrieben wird, ist die Willensfreiheit nicht das zugrundeliegende Prinzip.
Externalitäten
Das Problem mit Umweltschutz ist, dass diejenigen, die Ressourcen verbrauchen oder verschmutzen sogenannte Externalitäten (Schäden) für andere verursachen. Das bedeutet, dass diejenigen, die die Umwelt verschmutzen (und das sind wir alle), selbst nicht die vollen Kosten dieser Handlungen für die Umwelt tragen. Und diejenigen, die durch die Verschmutzung beeinträchtigt werden (auch wir alle) haben üblicherweise keine Möglichkeit, direkt mit den Verursachern zu verhandeln, damit diese ihr Verhalten ändern.
Selbst Anhänger von libertären Ansätzen stimmen zu, dass Märkte allein nicht die besten Ergebnisse erzielen können, wenn Externalitäten vorliegen. Außerdem ist der Umgang mit der Umwelt ist das Ergebnis einer globalen Entscheidungsarchitektur mit verschiedensten Akteuren (Unternehmen, Konsumenten und Regierungen).
Falsche Anreize und fehlendes Feedback
Jeder Einzelne trägt die Folgen seines für die Allgemeinheit schädlichem Verhalten nicht allein (die Tragik des Allgemeinguts: was allen gehört, wird von keinem geschützt). Auch dass Menschen kein Feedback auf die Umweltauswirkungen ihres Verhaltens erhalten, führt zu exzessiver Umweltverschmutzung.
Bessere Anreize
Es können Steuern oder Strafen verhängt werden auf den Verbrauch bestimmter Ressourcen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Kosten durch entsprechende Verhaltensänderungen vermieden werden können.
Eine weitere funktionierende Entscheidungsarchitektur sehen sie im Emissionshandel. Akteure, deren Ressourcenverbrauch unter den erlaubten Grenzwerten liegt, können ihre Emissionsrechte verkaufen. So wird umweltfreundliches Verhalten explizit entlohnt und ein Anreiz für technologische Innovation zum Zweck des Umweltschutzes gesetzt (in Europa seit 2005 mit mäßigem Erfolg im Einsatz).
Rückmeldung und Transparenz
Ein Problem bei den beschriebenen Maßnahmen besteht darin, dass es oft schwer ist, den benötigten politischen Rückhalt für ihre Umsetzung zu finden. Es ist nicht angenehm, Menschen zu vermitteln, dass zum Beispiel der Treibstoff für ihre Autos oder Heizungen teurer wird.
Ein erster Schritt in die Richtung, die Kosten angemessen zuzuordnen kann daher darin bestehen, die besagte Rückmeldung zu verbessern (Beispiel: Warnungen auf Tabakprodukten) und die Transparenz bezüglich vorteilhaften beziehungsweise schädlichen Verhaltens zu erhöhen (Beispiel: Toxic Release Inventory führt zu öffentlichem Druck auf Unternehmen, die schädliche Chemikalien freisetzen).
Die Privatisierung der Ehe
Aktuell besteht das Problem, dass die Entscheidungsfreiheit von religiösen Gruppen und die von Individuen im Bezug auf die Ehe nicht beide gewahrt werden können. Außerdem herrscht eine gewisse Zweideutigkeit, da die Ehe eine offizielle / gesetzliche und eine religiöse Institution zugleich ist.
Probleme
In den meisten Staaten bringt die Ehe umfangreiche ökonomische Vorteile und eine gewisse offizielle Legitimation. Die Autoren hinterfragen, ob dies bei einer so diskriminierenden Institution zeitgemäß ist. Die Ehe soll den Eintritt in sie limitieren und den Austritt aus ihr beschränken. Gerade letzteres funktioniert allerdings heutzutage nicht mehr besonders gut.
Motive für die Ehe
Oft wird der Zweck der Ehe darin gesehen, den Schutz der Kinder oder des schwächeren Partners zu gewährleisten. Allerdings kann dieses Ziel durch den Gesetzgeber verfolgt werden und die offizielle Institution der Ehe weder notwendig noch hinreichend, um es zu erreichen.
Des Weiteren können Paare natürlich davon profitieren, sich öffentlich zu ihrem Eheversprechen bekannt zu haben. Allerdings handelt es sich dabei um ein soziales beziehungsweise individuelles Ziel und es ist fraglich, warum eine gesetzliche Institution genutzt werden sollte, dieses zu verfolgen.
Vorschläge
Ein besseres System müsste eine klare Orientierung bieten und einen Standard vorschlagen, für Rechte und Verpflichtungen aus einer Verbindung. Nudges sollten eingeführt werden, um die Schwächsten zu schützen (oft Frauen aber vor allem Kinder). Der Gesetzgeber sollte zur Verfügung stehen, um dafür zu sorgen, dass sich alle Parteien an getroffene Vereinbarungen halten.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Standard-Regelungen, die als fair definiert werden, klar offengelegt werden. Dies ist notwendig, da der Mensch dazu neigt, sich in Verhandlungen immer etwas zu sehr selbst im Recht zu fühlen (self-serving bias).
Teil 4: Ausblicke und Einwände
Ein Dutzend Nudges
Die Autoren beschreiben zwölf Beispiele für Nudges. Auf verschiedene Arten unterstützen sie Menschen darin, sich auf eine Art und Weise zu verhalten, die gut für sie selbst und / oder für die Gesellschaft ist.
Menschen können Geld einsetzen, um abzunehmen, Sport zu treiben oder mit dem Rauchen aufzuhören und falls sie scheitern, wird es für einen wohltätigen Zweck gespendet. Sie können ihre Spielsucht bekämpfen, indem sie dafür sorgen, dass ihnen der Zugang zu Casinos verwehrt wird. Sie können von ihrer Krankenversicherung für gesundheitsförderliches Verhalten belohnt werden oder von ihrem Email-Programm davon abgehalten, im Zorn unhöfliche E-Mails zu versenden.
Einwände + Der echte Dritte Weg
Kritiker des libertären Paternalismus befürchten, dass der Staat immer größere Eingriffe vornehmen könnte und so den Menschen erst erziehen, dann manipulieren und mit Zwängen und Verboten schließlich bevormunden würde. Beispielsweise könnten Raucher dann, was viele Menschen zwar begrüßen würden, irgendwann nicht mehr in der Öffentlichkeit rauchen dürfen und irgendwann möglicherweise überhaupt nicht mehr. Es ist zwar ungesund, jedoch sollte jeder für sich die Entscheidung können. Beim Alkohol würden sich wahrscheinlich mehr Menschen eingeschränkt fühlen.
Ziel von Nudges ist jedoch keine Bevormundung, sondern eine Wahlfreiheit. Gefordert werden von den Autoren jedoch Regeln, die Kontext und Wissen voraussetzen, was mit dem Beispiel untermauert wird, Kinder sollten die Gefährlichkeiten von Schwimmbecken nicht kennenlernen, indem man sie hineinfallen lässt und auf das Beste hofft.
In diesem Abschnitt wird erneut bestätigt, dass Nudges (meistens) besser sind als Pflichtentscheidungen: Aus dem einfachen Grund, dass nicht jeder die Motivation hat, sich ausgiebig mit jeder Thematik zu beschäftigen, um eine voll ausgeleuchtete Entscheidung treffen zu können.
In diesem Buch werden zwei Behauptungen aufgestellt. A. Kleine Veränderungen sozialer Situation können massive Auswirkungen auf das Verhalten von Menschen haben. Unsere Entscheidungen werden überall von Nudges beeinflusst.
B.Libertärer Paternalismus ist kein Widerspruch. Ein Entscheidungsarchitekt kann Entscheidungsfreiheit gewähren und dennoch Menschen in eine bestimmte Richtung schubsen und damit ihr Leben verbessern.
Das Buch unterstützt das kreative Denken über Möglichkeiten per Nudges und Entscheidungsarchitektur das Leben von Menschen auch in anderen Bereichen zu verbessern.
Der libertäre Paternalismus stellt einen Dritten Weg dar, einen der zumindest für einige der festgefahrenen aktuellen Diskussionen einen Fortschritt bringen kann.
Unser Fazit
Wir haben uns für dieses Buch entschieden, nachdem es uns im Rahmen der Management-Vorlesung empfohlen wurde. Ziel für uns ist es, uns für den Nutzer zu sensibilisieren. Wie können wir gestalten, um den Nutzer unsere Anwendung simpel nutzen zu lassen, ohne ihm das Gefühl zu geben, dass wir seine persönliche Meinung angreifen?
Das Buch ist sehr inspirierend und wird durch viele praxisnahe Beispiele belegt, wodurch es sich gut lesen lässt. Der Mittelteil war unserer Ansicht nach etwas zu trocken, da viel die Finanzmärkte durchleuchtet werden, insbesondere die amerikanischen, die sich sehr von den deutschen unterscheiden.
Das Buch ist nicht nur für IMD-Studenten geeignet, sondern sollte von jedem gelesen werden, der in irgendeiner Art und Weise das Handeln von Menschen beeinflussen kann.