Das Thema lautet „Generatives Storytelling in interaktiven Medien” und dreht sich um Machine Learning, Storytelling und ein Text-Adventure
Bachelorprojekt von Raphael Herres
7. Semester, 2018
Betreuende Dozenten: Garrit Schaap und Andrea Krajewski
Interactive Media Design
Die Herausforderung
Storytelling durch alle gängigen Medien hinweg ist heutzutage auf einem qualitativ hochwertigen Niveau. In einer Vielzahl unterschiedlicher Kanäle haben sich verschiedene Genres und Subgenres entwickelt, die keiner trennscharfen Klassifizierung mehr folgen. Dramedy z.B. verbindet Elemente der Tragödie mit bewusst gesetzten komödiantischen Einlagen, um klassische Erzählungen aufzubrechen und ihnen mehr Tiefe zu verleihen.
Netflix hat sich erst jüngst mit der Serie „Black Mirror: Bandersnatch” von klassischer Fernsehunterhaltung entfernt und an eine eigene Form der interaktiven Handlung gewagt.
Videospiele sind das dominierende interaktive Medium und bieten mittlerweile riesige Spielwelten, in denen komplexe Interaktionsmöglichkeiten erlaubt sind. Bei offenen Handlungsverläufen stößt das Medium an seine Grenzen. Spielern werden unterschiedliche Pfade angeboten, die zu alternativen Enden und so zu einem differenzierten Spielerlebnis führen. Allerdings müssen die unterschiedlichen Pfade manuell entwickelt, geschrieben und produziert werden. Eine Beschränkung der Entscheidungsfreiheit in der Spielwelt resultiert also aus beschränkten Ressourcen in der „echten” Welt. Das Niveau des Storytellings wird dadurch nicht schlechter. Es soll lediglich verdeutlicht werden, dass auch interaktive Handlungen in Spielen limitiert sind.
Die Idee
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz haben gezeigt, dass ein (künstliches) neuronales Netz semantisch korrekte Geschichten generieren kann, die einem einfachen Handlungsstrang folgen. Nimmt man den bereits bekannten Kenntnisstand von Machine Learning hinzu, wäre es möglich, ein Videospiel zu entwickeln, das für jeden Spieler eine einmalige Erfahrung erzeugt.
Ein neuronales Netz kann so trainiert werden, dass es Level, Rätsel und Geschichten zur Laufzeit generiert und dabei das Verhalten des Spielers erkennt und mit einbezieht. Länge und Abschluss des Spiels bleiben offen, die Geschichte kann aber durch Meilensteine trotzdem vorangetrieben und zu einem Ende gebracht werden. Dadurch können die Spieler ihr eigenes Spielerlebnis und eine durchgängig interaktive (und theoretisch endlose) Handlung selbst bestimmen.
CharlesBottens ist ein Text-Adventure, das mit diesem Algorithmus ausgestattet wurde, um seinen Spielern ein einzigartiges Spielerlebnis bieten zu können. Neben der Geschichte werden auch die Level für die Spieler individuell generiert. Das Spiel stellt fest, ob sie eher „geduldig“ oder „ungeduldig“ agieren und ändert dementsprechend die Herausforderung.
Aufbau der Spielwelt
Spielwelt und Immersion
Im Bild sieht man einen beispielhaften Aufbau der Spielwelt: der blaue Bereich ist der Start, grün das Ziel. Rote Felder sind Gegner und die farblichen Kombinationen sind Rätselanfang bzw. -ende.
Beim Erstellen der Spielwelt sorgt ein Wegfinder dafür, dass das Spiel immer lösbar bleibt, der Weg zum Ende also nicht versperrt ist, oder direkt neben dem Startpunkt liegt.
Des Weiteren kann die Spielwelt, während Spieler in ihr unterwegs sind, auf deren Verhalten reagieren. So kann CharlesBottens erkennen, wenn ein Spieler eher ungeduldig ist und voran kommen möchte. Dann wird die Spielwelt etwas verkleinert, es gibt weniger Sackgassen und Story-Räume, dafür aber mehr Gegner.
Ist eine Spielerin eher geduldig, nimmt sich also Zeit die Spielwelt zu erkunden und alle Aufgaben zu lösen, generiert ihr das Spiel auch mehr Räume zum Entdecken und mehr Rätsel, die gelöst werden müssen.
Das Spiel soll dadurch nicht leichter gemacht werden. Vielmehr passt sich die Herausforderung dem Spielertyp an, damit die Immersion möglichst groß ausfällt.
Prototyp
Für den Prototyp wurde ein Machine Learning-Modell auf Charles Dickens Romanen trainiert. Das Modell lernt während des Trainings die gesamte Sprache, also Vokabular, Grammatik und Semantik.
Wobei man hier spezifizieren muss: das Modell lernt die Logik hinter der Sprache und versucht diese zu imitieren.
Deswegen wurden für CharlesBottens nur Bücher von einem Autor gewählt, um eine gewisse Konsistenz in die Texte zu bekommen. Außerdem wurden die Trainingsdaten so editiert, dass das Modell besonders gut auf den Anstoß „Chapter“, plus einer angehängten Zahl, reagiert.
Weiterhin ist auf dem Screenshot zu sehen, wie die Gestaltung des UIs ausgefallen ist. Als Text-Adventure ist das Spiel natürlich sehr textlastig. Damit die Spieler nicht den Überblick verlieren, sind ihre Eingaben markiert. Darüber hinaus ist die letzte Eingabe zusätzlich farblich kodiert, damit die Spieler sofort erkennen, wo sie mit den Augen hinspringen müssen, wenn eine größere Menge Text auf einmal generiert wird.