SerpenTone ist eine interaktive Kunstinstallation, die auf spielerische Weise einen kreativen Ausdruck in Form von Musik und visuellen Elementen ermöglicht
Eine Bachelorarbeit von Steffen Weitz
7. Semester, 2019
Betreut durch Prof. Claudius Coenen und Prof. Andrea Krajewski
Interactive Media Design
Überblick
In den klassischen partizipativen Künsten zeigte sich bei manchen Projekten die Problematik der falsch interpretierten Handlungsaufforderungen, da diese insgesamt zu offen gehalten oder missverständlich kommuniziert wurden. Interaktive Installationen haben durch ihren beschränkten Handlungsumfang hier einen klaren Vorteil, dennoch sind viele dieser Installationen nur wirklich erfahrbar, wenn sie auch aktiv genutzt werden. Ähnlich der partizipativen Kunst, die nur vollständig ist, sobald Rezipienten ihre passive Rolle verlassen und teilnehmen. Deswegen ist es ein Bestreben, eine Installation zu schaffen, die zwar bei Benutzung erst ihre Vollständigkeit erhält, aber auch darüber hinaus dauerhaft in einem aktiven Zustand verweilt, währenddessen das zuletzt Kreierte darstellt und so zu einem zeitlich begrenzten Kommunikationsmedium für Nutzer wird und eine Präsentationsfläche bietet. Die Kombination der Elemente des Spiels, des Musizierens und der kreativen Betätigung, resultieren in einem Spielzeug zum Musizieren. Ziel ist es allerdings, nicht nur einen Gegenstand zu schaffen, der einen kreativen Ausdruck in Form von Musik ermöglicht, sondern in Kombination mit einer Raumwirkung ein immersives Erlebnis schafft.
- „Serpent“, eine riesige Stoffschlange, die angefasst und bewegt werden kann.
- Raumfüllende Klänge, welche durch die Schlange gesteuert werden.
- Projektionen an den Wänden des Raums, die durch die Klänge beeinflusst werden und diese visuell repräsentieren.
Mission
Rezipienten sollen in einer Ausstellungsumgebung eine Stimme erhalten, sich kreativ betätigen und das Produkt daraus präsentieren können, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist. Selbst dadurch werden andere Menschen schon unterbewusst in ihrem Verhalten beeinflusst und ihr erster Eindruck orientiert sich an der hinterlassenen Raumwirkung. Zusätzlich ist es das Ziel etwas zu schaffen, das – ganz im Geiste der partizipativen Kunst – die Distanz zwischen Kunst und Rezipienten weiter auflöst, um einer möglichen Demutshaltung gegenüber Kunstwerken entgegenzuwirken. Es soll ein Ort geschaffen werden, der inspirierend wirkt und vielleicht sogar zur eigenen künstlerischen Betätigung motiviert.
Andere Sicht auf Kunst
Durch die Interaktivität der Kunstinstallation wird die Passivität der klassischen Rezipientenrolle verlassen und eine aktive Rolle als Partizipant in Form eines Kooperationspartners eingenommen. Dadurch entsteht automatisch eine andere Sicht auf dieses Werk und eine andere Haltung ihm gegenüber.
Sicherheit durch Kooperation
Das geschaffene System agiert als Partner in der kreativen Betätigung, bietet Möglichkeiten zur Handlung, aber liefert auch Grenzen, um damit Chaos vorzubeugen. Dadurch entsteht ein unsichtbares Sicherheitsnetz, das den Nutzer in seinen Aktionen begleitet und sicherstellt, dass dieser und mögliche andere Personen nicht verschreckt werden.
Spiel + Kreativität + Kunst
Die Bereiche des Spiels, der Kreativität und der Kunst weisen auf mehreren Ebenen verschiedene Parallelen auf. Um ein möglichst kohärentes Erlebnis zu schaffen, wurden daher diese 3 Bereiche miteinander verbunden. Dadurch ist SerpenTone mehr als eine simple Installation zur spielerischen Interaktion oder ein reines Kunstwerk, das zur Partizipation aufruft.
Bestandteile
Projektionen
Da Serpent für den Gebrauch in einem Gebäude konzipiert ist, wird es zwangsläufig immer eine Räumlichkeit dafür geben müssen, unter anderem aber auch, um den Klang überhaupt räumlich begrenzen zu können, damit eine dichtere Atmosphäre geschaffen werden kann. Damit kann dieser Raum auch direkt für eine weitere visuelle Komponente genutzt werden, um den Klang noch weiter zu unterstützen und eine immersivere Wirkung zu erzielen. Aus diesem Grund sollen alle 4 Wände mit einer durchgängigen Projektion bespielt werden. Diese Projektionen dienen als zusätzlicher Faktor, um eine immersiver wirkende, konstruierte Spielrealität zu schaffen, die das Spielzeug (Serpent) in eine Situation versetzt, die ihren eigenen Rahmenbedingungen unterliegt. Die Projektion tritt in Form einer Nebelsimulation in Erscheinung. Dabei werden immer wieder neue Nebelschwaden generiert, wenn ein Klang wiedergegeben wird. Jede Nebelwolke nimmt dabei eine Farbe passend zum entsprechenden Klang an, um so die Stimmung zu unterstreichen und das akustisch Vernommene auf visuelle Weise zu transportieren.
- Nebel bzw. Wolken allgemein, können sich untereinander vermischen, d. h., die Farbstimmung des Raums passt sich insgesamt allen Klängen an und ist somit ein Produkt unterschiedlicher Klänge. Damit wird das komplette Musikstück farblich repräsentiert.
- Weiterhin transportiert die Simulation den sphärischen Aspekt der Klangwelt sehr gut und schafft damit in Kombination eine in sich geschlossene Stimmung, die essentiell für die Konstruktion dieser geschaffenen Spielwelt ist.
Serpent
Form
Um einer möglichen Einschüchterung durch eine vermeintliche Komplexität entgegenzuwirken, wurde ganz bewusst eine abstrakte Form gewählt. Dabei war es wichtig, dass es die klassischen Formen und Materialien von Instrumenten ablegt, um nicht abschreckend zu wirken, sondern viel mehr die Neugierde weckt und zum Anfassen einlädt.
Die Form einer Schlange stellt ein einzelnes Objekt dar, das gleichzeitig sehr flexibel ist und bei entsprechender Größe genug Platz für mehrere Menschen bietet. Um die Interaktionsmöglichkeiten zu verdeutlichen, sind jeweils Griffe an den einzelnen Segmenten angebracht. Damit die einzelnen Segmente visuell noch stärker voneinander unterscheidbar sind, besitzen alle eine leichte Wölbung, die an den Übergängen zum nächsten Segment die niedrigsten Stellen bilden. Insgesamt unterteilt sich Serpent in 12 Segmente. Jedes dieser Teilstücke steht stellvertretend für eine Manipulierungsfunktion eines Klangs.
Jedes Segment hat eine Länge von 1m und einen Durchmesser von 70cm. Insgesamt hat Serpent damit eine Gesamtlänge von 13m, da zu den 12 Segmenten noch zwei 0,5m lange abgerundete Endstücke hinzukommen, die allerdings ohne Funktion sind.
Die Größe von Serpent ist aus mehreren Gründen wichtig. Zum einen soll es nichts mehr von filigranen Instrumenten aufweisen, wodurch einer eventuellen Zurückhaltung der potentiellen Nutzer entgegengewirkt wird. Zum anderen soll es in Kombination mit dem Klang und den Projektionen eine Raumwirkung erzielen, weswegen es kein kleines Objekt sein kann, das sich entweder irgendwo am Rande oder völlig verloren in der Mitte eines Raumes befindet. Weiterhin soll es möglich sein, von mehreren Personen gleichzeitig verwendet zu werden, weshalb die einzelnen Funktionen über eine gewisse Länge verteilt werden müssen, um ausreichend Platz zu bieten.
Um die Schlange so neutral wie möglich zu halten, wird auf Anthrazit gesetzt, da hier kein möglicher Widerspruch zu den entstehenden Klangwelten und den damit verbundenen Farben der Projektionen entstehen kann.
Material
Wie bereits erwähnt, soll nichts auf ein Musikinstrument schließen lassen und gleichzeitig eine einladende Wirkung haben. Deswegen wurde sich für die Oberfläche für einen Baumwollstoff entschieden. Dieser hat die perfekte Balance zwischen Rauh- und Weichheit, ist verhältnismäßig robust und wurde bei Tests als insgesamt angenehm empfunden. Im Gegensatz dazu wurden zu rauhe Stoffe als eher abweisend erachtet und man fühlte sich nicht wirklich Willkommen den Gegenstand anzufassen. Stoffe mit einer pelzigen oder flauschigen Sturktur stießen teilweise auf eine regelrechte Abneigung. Gefüllt ist Serpent mit feinen Styroporkügelchen, wie man sie auch in Sitzsäcken finden kann. Dadurch ist die Verformbarkeit durch das Biegen gewährleistet und zudem bietet sich die Schlange somit gleichzeitig als Sitzobjekt an, um im Raum zu verweilen, den Klängen zu lauschen und die Projektionen zu betrachten.
Blick auf Serpent in einem Raum mit Projektionen.
Ein Segment von Serpent (leuchtend).
Größenvergleich zwischen einer Person und Serpent (seitlich).
Größenvergleich zwischen einer Person und Serpent (schräg).
Größenvergleich zwischen einer Person und Serpent (frontal).
Klang
Klanglich ist SerpenTone in den Musikgenres Ambient und Drone zu verorten. Gründe dafür sind zum einen, dass die Klänge in diesen Genres hauptsächlich elektronisch erzeugt werden und damit keinem wirklichen Instrument zugeordnet werden können. Dadurch kann keine widersprüchliche Verbindung zwischen der Form und der Materialität von Serpent und den erzeugten Klängen entstehen. Zum anderen sind die Genres für das Schaffen dichter Atmosphären bekannt und besitzen die Fähigkeit Klangwelten zu erzeugen, die einen ganzen Raum füllen können. Damit lässt sich sagen, dass SerpenTone im Allgemeinen einen atmosphärischen, raumfüllenden Klang erzeugt.
Drone
Ein stetiges Hintergrunddröhnen, das im Verlauf kleinere Varianzen aufweist, um nicht zu statisch zu wirken, dient dem Volumen des Klangs. Es setzt sich aus einem tiefen und einem höheren Dröhnen zusammen und ist für die sphärische, raumfüllende Wirkung verantwortlich. Die beiden Elemente des Dröhnen sind lediglich in ihrer Lautstärke, also in ihrer Intensität, einstellbar.
Hohes Dröhnen:
Tiefes Dröhnen:
Noise
Ein stetiges, leises Hintergrundrauschen unterstützt das Dröhnen in seinem Volumen. Das Rauschen ist in keiner Weise veränderbar, da es bei der Möglichkeit, dass alle Töne völlig runtergeregelt werden, immer noch eine akustische Untermalung für den Raum bietet. Zum anderen soll es nur eine Unterstützung für das Dröhnen liefern und nicht Überhand nehmen können, weswegen es nicht in seiner Intensität einstellbar ist.
Stetiges Rauschen:
Ein regelmäßig zu- und abnehmendes Rauschen bringt eine weitere, dynamische Ebene in das Musikstück und lässt es vielschichtiger wirken. Das wellenartige Rauschen ist ebenso nicht veränderbar, um das dauerhafte und statische Rauschen aufzulockern und eine gewisse Dynamik zu präsentieren, sollten alle anderen Klänge komplett runtergeregelt werden. Damit entsteht im Raum auch im Extremfall nie eine völlige Stille und es entsteht dennoch eine stetige Bewegung im Klang.
Variables Rauschen:
Kicks
Zwei Kicks, die in einem vorgegebenen Rhythmus spielen, dienen als weiteres dynamisches Element. Die Kicks sind sowohl in ihrer Lautstärke, als auch in ihrer Geschwindigkeit einstellbar. So können sie die Melodie unterstützen (gleich schnell oder langsamer) oder ein taktgebendes Element sein (schneller als die Melodie).
Kicks in unterschiedlichen Geschwindigkeiten:
Melodie
Eine anpassbare Melodie, die aus einer Sequenz von 6 Tönen besteht, dient als ein zentrales Element des Musikstücks. Durch die rhythmische Wiederholung und die Präsenz wird es zum Hauptbezugspunkt für die Besucher des Raums. Melodien bzw. rhythmische Abfolgen sind ein starker Orientierungspunkt für Menschen, die auch im Allgemeinen dazu neigen Muster aus Geräuschen zu hören. Die Melodie stellt als akustischen Hauptbezugspunkt auch das zentrale Element der Interaktion dar, da es die meisten Manipulationsmöglichkeiten bietet. So kann sowohl die Lautstärke und die Geschwindigkeit verändert werden, aber natürlich auch die 6 einzelnen Töne, aus denen sich die Melodie zusammensetzt. Aus diesen Einstellmöglichkeiten ergibt sich eine Vielzahl an Varianten, die eine unterschiedliche Wirkung auf die Zuhörer haben.
Exemplarische, melodische Sequenz mit Veräderungen:
Das ist SerpenTone
SerpenTone liefert damit den kreativen Kooperationspartner in einer Ausstellungsumgebung, die eigentlich zur reinen Präsentation und nicht zur Kreation geschaffen ist. Somit werden Ausstellungsbesuche um eine Ebene erweitert und bieten eine direkte Eingriffsmöglichkeit für Besucher.