DePerspektiven – wie kann Design die Entstehung wünschenswerter Zukünfte unterstützen?
Ein studentisches Designtheorie-Projekt betreut von Andrea Krajewski
Wintersemester 2023
Prolog
Der Unternehmer und Neurowissenschaftler Jeff Hawkins fertigte in der frühen Entwicklung des Palm Pilots (ein PDA, mit dem man Notizen machen, Kontakte und Dokumente verwalten konnte und vieles mehr – wenn man so will einem Vorläufer des iPhones) ein Holzmodell des Gerätes an. Er nahm ein Stück Holz, pinselte es weiß an, klebte ein in Schwarz/Weiß entworfenes Interface drauf und fügte ein Essstäbchen als Einhabe-Hilfe hinzu, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie das Produkt aussehen und die Nutzung sich anfühlen würde. Er trug den Holzklotz mehrere Wochen lang in seiner Tasche und tat so, als sei er ein funktionierendes Gerät, um herauszufinden, wie er es benutzen würde. Wenn zum Beispiel jemand um eine Besprechung bat, holte er seinen Holzklotz heraus und tippte darauf, um zu simulieren, dass er in seinem Kalender nachschaute und eine Besprechungserinnerung ansetzte. Mit Hilfe des Modells nahm er nicht nur eine Zukunft vorweg, in der Kommunikation digital organisiert und unterstützt wurde, sondern er erlebte sie und ließ andere daran teilhaben.
Der Palm Pilot wurde nicht nur sehr erfolgreich, sondern ebnete auch den Weg für Smartphones und etablierte einen Formfaktor (d. h. Form und Größe) für die meisten tragbaren elektronischen Geräte, der bis zum heutigen Tag gilt.
Nun ging es beim Palm Pilot damals um die Visualisierung und Testung einer konkreten Idee, die auf den Markt gebracht werden sollte. In Design steckt aber noch viel mehr Potenzial. Statt über abstrakte Ideen zu sprechen, kann man theoretische und abstrakte Vorstellungen durch hierfür gestaltete Artefakte begreifbar machen und somit eine bessere Grundlage für Entscheidungen bieten.
In der Designforschung haben sich hierfür bislang drei (nur) leicht unterschiedliche Richtungen ausgebildet, die helfen sollen, sich mit möglichen, wünschenswerten Zukünften auseinander zu setzen: Discursive Design, Critical Design und Speculative Design.
Vom Hinweis auf Mögliches, bis hin zur Provokation durch überspitzende Absurdität vereint die designtheoretischen Ansätze den Wunsch zur partizipativen Auseinandersetzung mit Gedankenmodellen für Veränderung.
Die Methoden reichen von Design Fiction (An Ikea Catalog From The Near Future, Near Future Laboratory), der Infiltration unserer heutigen Welt mit Objekten für die Zukunft (Extrapolation Factory, Studio X NYC), immersiven Installationen (Imitigation Of Shock, superflux) bis hin zu wissenschaflich begleiteten Living Labs.
An dieser Stelle kann nur ein kurzer Einblick mit einigen wenigen Beispielen gegeben werden. Die Breite der Ansätze zeigt aber, wie unverzichtbar Design als Vermittler von Vorstellungen und Katalysator für den Innovations-Diskurs ist.
Die nachfolgenden Beispiele zeigen, um wieviel näher eine mögliche und vielleicht auch wünschenswerte Zukunft rückt, wenn man sie mit Konkretem ausstattet, das uns bekannt vorkommt. Man kann das entwickelte Objekt in die Hand nehmen, die Zukunft sozusagen erproben, nachspüren, wie es einem damit geht, welche Emotionen und Haltungen man entwickelt. Und, was das Wichtigste ist: Man kann sich mit anderen darüber austauschen. Nur durch diese soziale Interaktion können Pläne für die Zukunft konkret und somit möglich werden.
Das Fallbeispiel
Gesundheit aktiv gestalten – Wie kann Selbstachtung und -fürsorge provoziert werden? (Fabienne Frank, Marc Hofmann)
Fabienne und Marc beschäftigen sich mit dem Semesterthema „Wünschenswerte Zukünfte“ mit dem Fokus auf körperlicher Gesundheit. Im Zentrum steht ihre Idee einer Smart Brille, die durch Netzhautüberwachung frühzeitig Krankheiten erkennen kann. Ein Konzept für eine Zukunft, in der Menschen aktiver ihre Gesundheit gestalten sollten und diese selbst in die Hand nehmen.