KONTAKT übersetzt taktile Sprache in Lautsprache und umgekehrt, Lautsprache in Brailleschrift um Taubblinden Gehör und Stimme zu verleihen.
Ein Bachelorprojekt von Nina Hanselmann
7. Semester, 2019
Betreuende Dozenten: Frau Prof. Krajewski und Herr Stasch
Interactive Media Design
Was ist KONTAKT?
Können Sie sich vorstellen, ohne Augen und Ohren zu kommunizieren? Denn genau vor dieser Aufgabe stehen ca. 6500 taubblinde Menschen in Deutschland. Um dieser Problematik entgegenzutreten, entwickelt das Unternehmen KONTAKT. Als Schnittstelle zwischen dem Nutzer und Lautsprachlern, erleichtert es Betroffenen die Kommunikation.
Das Produkt dient in Form eines Handschuhs als Übersetzungsmedium. So kann Lautsprache in tastbare Braille-Schrift übersetzt werden, während vom Nutzer in die Hand geschriebene Lormen oder Gebärden wieder in Lautsprache umgewandelt werden. Hierfür können verschiedene Stimmcharaktere, passend für den Anwender, eingestellt werden.
Was sind Lormen?
Jeder Buchstabe des Alphabets, „Ä“, „Ü“, „Ö“, sowie die Laute „CH“, „SCH“ und „ST“ werden/wird auf die rechte oder linke Handinnenfläche des „Lesenden“ getastet. Über die Art und den Ort der Berührung kann ein Taubblinder dann die Buchstaben erkennen und sie zu Worten zusammenfügen.
Ein Punkt auf die Daumenspitze ist etwa ein „A“, ein langer Abstrich von der Spitze des Mittelfingers zum Handgelenk ein „L“.
Was sind taktile Gebärden?
Die Sprache von gehörlosen Menschen können auch Taubblinde nutzen, um sich zu verständigen. Sogenannte „Gebärden“ bezeichnen den Ausdruck von Sprache mit bestimmten Symbolen, die über die Hände artikuliert und abgetastet werden. Im Gegensatz zu normaler Gebärdensprache, wo die Mimik zusätzlich Aufschluss über die Art oder Betonung eines Satzes gibt, weicht die Grammatik zur Übermittlung dieser Informationen leicht ab.

Ein praktisches Mietsystem
Das System kann tage- (3€ pro Tag), monats- (70€ pro Monat) oder jahresweise (65€ pro Monat/ 780€ pro Jahr) zuzüglich Versandkosten (ca. 4,40€) über die KONTAKT Website gemietet werden. Im Fall eines Monats- und Jahresabonnements ist ein Testen des System in einem Probezeitraum möglich. Dieser erstreckt sich über maximal zwei Monate im Jahres- und zwei Wochen im Monatsabonnement.
Nachdem ein Mieter das System zurück geschickt hat, wird das herausnehmbare Inlay des Handschuhs gewaschen und die Technik geprüft. Danach ist der Handschuh wieder einsatzbereit.


MEHRWERT
Taubblind zu sein bedeutet, die Einschränkung von zwei Sinnen, die zur Wahrnehmung der Umwelt essentiell sind. Menschen mit dieser Behinderung sind ihr Leben lang auf Assistenten angewiesen, die sie in ihrem Alltag begleiten. Vor allem bei der Kommunikation von Taubblinden mit Menschen ohne Einschränkung ist ein Dolmetscher nötig, der die taktile Sprache übersetzt.
Die Unabhängigkeit und damit verbunden auch die Privatsphäre ist somit beeinträchtigt. Das System bildet darum die Schnittstelle zwischen Taubblinden und deren Umwelt, macht diese unabhängiger und ermöglicht ihnen einen barrierefreien Kanal um sich auszudrücken.
Unabhängigkeit
Taubblinde und Hörsehbeeinträchtigte sind durch KONTAKT in Gesprächen mit Lautsprachlern unabhängiger von Taubblindenassistenten und Dolmetschern. Sie können selbst mit ihrem Kommunikationspartner reden.
Privatsphäre
Bei Gesprächen muss dank dem Handschuh nicht unbedingt eine Dritte Person als Übersetzer im Raum sein. Dadurch können auch vertrauliche und/oder persönliche Gespräche geführt werden.
Selbstbestimmtheit
KONTAKT verleiht seinen Nutzern Gehör und Stimme. Wörter und Sätze werden nicht erst durch einen Übersetzer interpretiert, sondern unmittelbar vom System wiedergegeben.
Barrierefrei
Nicht nur Taubblinde profitieren vom System. Auch Angehörige und Freunde mit wenig bis gar keinen taktilen Sprachkenntnissen können so kommunizieren.

DIE KOMPONENTEN
Jedes Produkt spiegelt die Bedürfnisse seiner Nutzer wieder. Da es sich bei der Zielgruppe der Taubblinden um Menschen handelt, deren Sinne in besonderem Maße eingeschränkt sind,
aber auch um sinngesunde Menschen, die mit dem System interagieren, ergeben sich für Aussehen, Funktionen und Feeling spezielle Anforderungen.

Die Website von KONTAKT dient der Information, der initialen Einrichtung und der Bestellung des Systems. Sie ist übersichtlich gestaltet und unterstützt einen Taubblindenassistenten, einen Betreuer oder Angehörige des Taubblinden durch Schritt-für-Schritt-Anleitungen bei der Findung seiner Anfrage. Ein Besucher der Seite hat die Wahl zwischen einem Lormen- oder zwei Gebärdenhandschuhen für Taubblinde oder Taubstumme. Außerdem können verschiedene Stimmcharaktere, passend für den Anwender, eingestellt und auch nachträglich angepasst werden.
Der Handschuh kommuniziert über Vibrationen mit seinem Nutzer und via Lichtzeichen mit Lautsprachlern. Er informiert hiermit über seinen Status, den Akkustand und den Gesprächsverlauf. Sollte ein Lautsprachler eine zu komplexe oder lange Eingabe tätigen, spielt der Handschuh automatisch eine kurze Erklärungssequenz ab. Schreibt ein Träger in den Handschuh, bittet ein pulsierendes Licht am Handrücken den Lautsprachler zu warten.
Der Handschuh wird geladen, indem er umgekehrt auf das, dem System beiliegende, Induktionsladegerät gelegt wird. Ein Taubblinder muss den Handschuh also nicht umständlich an ein Ladegerät anstecken.

Das Logo des Unternehmens ist schlicht und klar gestaltet. Durch die symmetrische Schriftart mit weichen, runden Linien, welche nicht durch serifen gebrochen werden, entsteht ein Einheitliches und freundliches Ganzes. Das „O" des Namens ziert an dessen Unterseite ein zusätzliches, nach unten offenes, ovales Element. In der Gesamtheit mit dem Buchstaben selbst ergibt sich ein stilisierter Avatar, welcher zwischen den anderen Buchstaben seinen Platz einzunehmen scheint. Er ist ebenso wie die anderen ein Teil des Wortes, ohne aufdringlich oder besonders zu wirken.
Die Machbarkeitsstudie
Beim Prototyp des Systems handelt es sich nicht um ein Modell für Taubblinde, sondern lediglich um eine generelle technische Machbarkeitsstudie. Es soll getestet werden ob es möglich ist, Wörter in Brailleschrift zu übersetzen. Umgekehrt werden die Lormen, mit denen der Taubblinde kommuniziert, durch Morsezeichen ersetzt. Grund hierfür ist die Ähnlichkeit beider Kommunikationsformen – sie dekodieren Buchstaben in bestimmte Zeichen. Vorteil der Morsezeichen ist jedoch, dass nur ein einziger Drucksensor genügt, um Zeichen zu schreiben.
Der Prototyp besteht aus sechs kleinen, federnden Hubmagneten. Verbunden sind diese mit einem Arduino UNO, der über ein USB-Kabel mit dem Arduino-Programm auf einem Laptop kommuniziert. Durch den seriellen Monitor des Programms werden nun Wörter eingegeben. Je nach Buchstabe steuert der Arduino dann diejenigen Hubmagneten an, deren „Kopf“ oben, bzw. unten sein muss, um das Zeichen darzustellen. Für die Übersetzung von Morsezeichen in geschriebene Worte ist ein einfacher Drucksensor an den Arduino angeschlossen. Die Zeichen werden dann ebenfalls vom Mikrocontroller in Buchstaben übersetzt und im seriellen Monitor angezeigt.
Damit das System in seiner kompletten Form begutachtet und gefühlt werden kann, wird dennoch ein Handschuh gefertigt. Dieser besteht komplett aus hochwertigem, strapazierfähigem braunem Leder, sowie einem Aufsatz aus braunem Kunstleder am Handrücken. Auf den Anstrich mit weißer Lederfarbe, um dem Originalprodukt möglichst nahe zu kommen, wird aus ästhetischen Gründen verzichtet. In den Aufsatz werden die Löcher der Braillepunkte gestanzt und außerdem ein Streifen dünnen Stoffes als Halterung des Leuchtbandes angenäht.
Das System wird in einem KONTAKT-Päckchen mit einem Induktionsladegerät, einem Handschuh und einer Anleitung geliefert. Beispielhaft liegt diesem Päckchen der Prototyp aus braunem Leder bei.